Der Aufstieg zur Hütte in der brütenden Mittagshitze ist anstrengend und lang. Ich merke dass ich nicht wirklich fit bin, da ich mir am Donnerstag noch eine Erkältung eingefangen hatte. Die letzten Höhenmeter zur Hütte sind drahtseilversichert aber unschwierig. Die Hütte ist an diesem Wochenende brechend voll, der freundliche Hüttenwirt fragt uns gleich nach dem Ziel für den nächsten Tag. Auf meine Antwort „Lenzspitze über den Nordnordostgrat und wieder zurück“ entgegnet er „den Grat kann man nur hinaufgehen, der Abstieg geht nur über das Nadelhorn“. Na toll, das bringt unsere Tourenplanung schon gleich durcheinander, am ersten Tag wollten wir eine kürzere Akklimatisationstour machen.
Der Entschluss ist gefasst, wir starten am Sonntag die geplante Haupttour über den Nadelgrat. Die Verhältnisse sind gut, bei sternklarer Nacht starten wir um 3 Uhr 30 und können sogar noch das Frühstück in der Hütte mitnehmen. Wir sind beide hoch motiviert und es läuft gut, besser als der Anstieg zur Hütte. Mit Stirnlampen ist die Orientierung am Grat kein Problem und in der Ferne blinken auch schon einige Lampen. Die Felsen weisen noch eine leichte Eisschicht auf.
Als gegen 5:30 die Sonne aufgeht, zeigen sich die Walliser Berge in ihrer vollen Schönheit. Im Führer ist der Anstieg zur Lenzspitze mit G7, AD+ angegeben, Kletterstellen bis zum IV. Grad und daher ist die Tour nicht zu unterschätzen. Die Entscheidung des Vortags nur ein leichtes 50 m Halbseil mitzunehmen erweist sich als richtig, wir gehen den gesamten Grad am gleitenden Seil am doppelten Strang in Wechselführung. Ab etwa 3800 m legen wir die Steigeisen an. Dieser Anstieg macht richtig Spaß, der Fels ist überwiegend fest und im hartgefrorenen Traumfirngrat ist die eine Spur angelegt. Auch die Schlüsselstellen im IV. Grad sind problemlos – die Verhältnisse sind optimal. Links schauen Täschhorn und Dom zu uns herüber, diese Tour hatten wir ursrünglich ins Auge gefasst.