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Traumtour im Salbit

07.08.2018

Es ist Anfang August, eine gute Zeit für Touren in alpiner Umgebung. Mit Andi machte ich mich auf den Weg in die Schweiz, Kanton Uri, Göschener Tal, Salbit – mein Lieblingsgebiet. Auf der Fahrt dorthin ist der Vierwaldstädter See immer ein Höhepunkt, dieser schöne Bergsee mit den Raddampfern. Am Campingplatz Mattli unterhalb des Göscheneralpsee bezogen wir unser Quartier.

Das familiäre Zeitfenster war nur für zwei Tage geöffnet, das Wetterfenster war auch nicht ganz verlässlich, für den Nachmittag waren Wärmegewitter nicht ausgeschlossen, daher entschlossen wir uns für einen möglichst frühen Aufbruch. Nach einer kurzen Nacht klingelte um halb vier der Wecker.

Mit Stirnlampen wanderten wir vom Parkplatz Grit 2 auf 1210 m vorbei am Regliberg 1680 m zur Salbithütte auf 2105 m. Die Temperatur im Tal war mit 18 °C bereits am Morgen ungewöhnlich hoch. Noch nie waren die Bäche im Zustieg so ausgetrocknet, anscheinend hatte es in den letzten Wochen kaum Niederschläge gegeben. Wir beobachteten etwas mit Sorge von Westen einige kleine Wolken am sonst blauen Himmel. An der Hütte mussten wir uns nun entscheiden, entweder mit Vollgas eine lange Route auf den Gipfel klettern oder eine kurze Ausweichtour. Durch die Trockenheit waren die Verhältnisse ideal für eine Traumtour der Remy Brüder, die Clog and Stock, an der Südostwand des Südgrats, führt diese in vierzehn Seillängen in direkter Linie auf den Hauptgipfel des Salbitschijen, 2985 m. Das Herz der Route ist eine von weitem sichtbare 140 m lange Verschneidung. Die Entscheidung war getroffen, die Route ist an den Standplätzen überall zum Abseilen mit Metallgliedern eingerichtet.

Die zweite und dritte Seillänge waren klettertechnisch die anspruchsvollsten, mit 6a+ bewertet, jedoch mit Bohrhaken sehr gut abgesichert. Auch die vierte Seillänge mit 5c+ immer noch im sechsten Grad forderte eine gute Rissklettertechnik. Nach einer einfachen Länge im 4. Grad beginnt die Riesenverschneidung und die Bohrhaken werden rar, die Schwierigkeiten sind trotzdem anhaltend im Bereich 5c. Ab hier ist die Route alpin, die Stände sind gebohrt, aber die Zwischensicherungen werden in Rissen angebracht. Das Sortiment hatten wir dabei und die Kletterei war ein Genuss.

Nach neun Seillängen hatten wir die Verschneidung hinter uns, jedoch jetzt kam was wir befürchtet hatten. Kleine angenehm warme Regentropfen fielen vereinzelt vom Himmel. Wir überlegten nicht lange, tauschten die Kletterschuhe durch die Zustiegsschuhe und bereiteten den kontrollierten Rückzug vor. Das Gelände ist alles andere als optimal zum Abseilen, da viele Schuppen und Risse Seilverklemmer begünstigen.

In der vierten Abseillänge direkt unterhalb der Riesenverschneidung fing es nun an zu Graupeln. Mein Blick fiel überrascht auf einen Sturzbach, der weiter links plötzlich vom Berg rann. Kurz darauf befanden auch wir uns in einem Sturzbach, die Verschneidung wurde zum Canyoning. Beim Abziehen des Seils trat ein was kommen musste, der Strick saß fest. Da half kein Ziehen, auch nicht zu zweit und mit voller Kraft, das Seil war fest und es war unmöglich, dieses aus dem Sturzbach zu befreien. Bisher hatte ich noch nie daran gedacht, doch jetzt war die Entscheidung einfach, wir mussten einen Seilstrang kappen!

Weniger als vierzig Meter blieben übrig, nass wie ein Waschlappen. Mühsam seilten wir im flachen weiter ab über sprudelnde Bäche, die Seilstränge verknoteten sich ständig in sich. Noch dazu wurde es uns plötzlich kalt, die Schuhe schmatzten bei jedem Schritt. Es lagen noch einige lange Abseillängen vor uns, bevor wir den rettenden Wandfuss erreichen könnten. Die Wand wurde wieder steiler, doch das Seil war zu kurz, um an die nächste Abseilstelle zu kommen. Über einen Trick verschoben wir von unten den Knoten und konnten so auch dieses Problem lösen.

Die vorletzte Abseilstelle stellte uns noch einmal auf die Probe. Da der Abzug über Eck unmöglich gewesen wäre, opferten wir eine 60 cm Bandschlinge und seilten von einem soliden Bohrhaken zum Stand ab. Nun noch einmal 45 m bis zum Schneefeld und der Rückzug aus der Wand war geschafft!

Was für ein Erlebnis, ein Blick zurück zur Wand zeigte, dass gerade unsere Route am schlimmsten von Bächen überflutet wurde. Der nasse Abstieg ins Tal war mühsam, die Schuhe waren immer noch voller Wasser und wir wurden etwas komisch von entgegenkommenden Leuten gemustert, da wir immer noch die Helme auf hatten.

Was ist das Fazit aus einer solchen Tour? Im Nachhinein ist klar, wir hätten mit dieser Wetterprognose nicht in die lange Route einsteigen dürfen. Die Tour wird uns für ewig in Erinnerung bleiben, sie wird uns begleiten und uns für die Zukunft aufmerksamer machen für die Risiken in den Bergen!

 

Andi und Olli, Eure Gruppenleiter von UpSeilDown