Nach neun Seillängen hatten wir die Verschneidung hinter uns, jedoch jetzt kam was wir befürchtet hatten. Kleine angenehm warme Regentropfen fielen vereinzelt vom Himmel. Wir überlegten nicht lange, tauschten die Kletterschuhe durch die Zustiegsschuhe und bereiteten den kontrollierten Rückzug vor. Das Gelände ist alles andere als optimal zum Abseilen, da viele Schuppen und Risse Seilverklemmer begünstigen.
In der vierten Abseillänge direkt unterhalb der Riesenverschneidung fing es nun an zu Graupeln. Mein Blick fiel überrascht auf einen Sturzbach, der weiter links plötzlich vom Berg rann. Kurz darauf befanden auch wir uns in einem Sturzbach, die Verschneidung wurde zum Canyoning. Beim Abziehen des Seils trat ein was kommen musste, der Strick saß fest. Da half kein Ziehen, auch nicht zu zweit und mit voller Kraft, das Seil war fest und es war unmöglich, dieses aus dem Sturzbach zu befreien. Bisher hatte ich noch nie daran gedacht, doch jetzt war die Entscheidung einfach, wir mussten einen Seilstrang kappen!
Weniger als vierzig Meter blieben übrig, nass wie ein Waschlappen. Mühsam seilten wir im flachen weiter ab über sprudelnde Bäche, die Seilstränge verknoteten sich ständig in sich. Noch dazu wurde es uns plötzlich kalt, die Schuhe schmatzten bei jedem Schritt. Es lagen noch einige lange Abseillängen vor uns, bevor wir den rettenden Wandfuss erreichen könnten. Die Wand wurde wieder steiler, doch das Seil war zu kurz, um an die nächste Abseilstelle zu kommen. Über einen Trick verschoben wir von unten den Knoten und konnten so auch dieses Problem lösen.
Die vorletzte Abseilstelle stellte uns noch einmal auf die Probe. Da der Abzug über Eck unmöglich gewesen wäre, opferten wir eine 60 cm Bandschlinge und seilten von einem soliden Bohrhaken zum Stand ab. Nun noch einmal 45 m bis zum Schneefeld und der Rückzug aus der Wand war geschafft!
Was für ein Erlebnis, ein Blick zurück zur Wand zeigte, dass gerade unsere Route am schlimmsten von Bächen überflutet wurde. Der nasse Abstieg ins Tal war mühsam, die Schuhe waren immer noch voller Wasser und wir wurden etwas komisch von entgegenkommenden Leuten gemustert, da wir immer noch die Helme auf hatten.
Was ist das Fazit aus einer solchen Tour? Im Nachhinein ist klar, wir hätten mit dieser Wetterprognose nicht in die lange Route einsteigen dürfen. Die Tour wird uns für ewig in Erinnerung bleiben, sie wird uns begleiten und uns für die Zukunft aufmerksamer machen für die Risiken in den Bergen!