Aiguille sans Nom Südgrat und Dorées-Überschreitung
Zurück im Biwak tauschten wir die Erlebnisse mit den anderen Kletterern aus. Es war eine gute Gemeinschaft unter Gleichgesinnten. Ein Pärchen aus der Schweiz war noch dazugekommen und so waren wir nun zu zehnt im Biwak.
Gemeinsam beratschlagten wir die Pläne für den nächsten Tag aus. Das Schweizer-Paar wollte die „Eole danza per noi“ an der Aiguille de la Varappe versuchen, einer Perle der Dorées. Ebenfalls an dieser Wand hatten sich die beiden französisch sprechenden Schweizer die Route „C‘est Mozart qu‘on assassine“ ausgesucht. Zwei Österreicherinnnen entschieden sich für die Tajabone und Karl und ich für den Südgrat auf die Aiguille sans Nom mit anschließender Dorées-Überschreitung.
Das war eine gute Entscheidung. Mit kurzem Zustieg erreichten wir zunächst den direkten Einstieg auf einen Vorturm. Diese Besteigung brachen wir nach einigen Metern ab, da die Absicherung der breiten Risse mit unseren Klemmgeräten nicht möglich war. Weiter ging es am eigentlichen Grad in perfektem Fels.
Die Schwierigkeiten namen zu und in einer atemberaubenden Rissseillänge hörte ich von oben den Ruf „Olli, das ist die schönste Seillänge, die ich in meinem Leben geklettert bin!“. Es war ein Traum, hier in dieser Umgebung solche Erlebnisse zu haben. Wir erreichten den Gipfel der Aiguille sans Nom. Ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt tauchte plötzlich eine Österreicherin am Gipfel der Tajabone auf und wunderte sich nicht schlecht, als wir „Thea“ hinunterriefen und sie winkte uns zurück.
Es schloss sich für uns noch der Weiterweg über die Gipfel der Dorées-Gruppe an, die Überschreitung von West nach Ost. Die Schlüsselstelle, die Copt-Verschneidung wird dabei durch Abseilen umgangen. Das war uns nicht unrecht, denn diese war vereist und die Verschneidung ist im Grad 6a nicht gerade einfach.
In teilweise exponierter Kletterei ging es nun links und rechts der Gratschneide entlang der Kette um am Ende auf der Nordseite auf den Trient-Gletscher abzuseilen. Dabei verklemmte sich das Seil an einer Schuppe und wir mussten eine Rettungsaktion starten. Das bedeutete Hoch-Prusiken am fixierten Seil. Dieses Manöver war eine gute Übung und unterstrich nur noch einmal, wie besonders die Anforderungen in dieser Umgebung sind, um diese genießen zu können.
Ein Alleingeher kam von der Trient-Hütte uns entgegen und konnte es kaum fassen, wie man in solchen Touren klettern kann. Auf seinen vielen Aufnähern waren namhafte Berge wie „Elbrus“, „Kilimandscharo“ u.s.w. zu lesen und ganz wichtig, „Never stop climbing!“.
An diesem Abend im Biwak mussten sich die Kletterer in den rechten Teil umquartieren, da sich eine Großfamilie eingemietet hatte. Mit Hund und Kegel waren sie angereist und wie sich herausstellte, waren auch einige Erbauer des Biwaks aus der Sektion Dent-de-Lys dabei. Sie waren natürlich vertraut mit der Hütte und so konnten wir uns freuen, ein paar Reste ihres gekochten Abendessens abzubekommen.