Aufbaukurs Eis auf dem Taschachhaus (15.-18.06.2017)
Am frühen Nachmittag des Anreisetags trafen Vorhut (Tourenleiter Oli nebst
Ellena) und Nachhut (Lars, Markus und Lando) am Taschachhaus (ca. 2.435 m)
aufeinander und begrüßten einander ausgelassen bei einem kühlenden Glas Hopfensaft.
Nachdem das Programm des Tourenführers zwar formal kompakt aber prall gefüllt war
mit Themen wie
Wiederholung Ablauf Spaltenbergung,
Spaltenbergung,
Selbstrettung,
Setzen von Eisschrauben,
Standplatzbau,
Kniffs und Tricks (Modifizierter Flaschenzug, Selbstausdrehende Eisschraube,
Abalakov, ...),
Gehen am gleitenden Seil,
Steigen am Fixseil,
Eisklettern (Toprope und Vorstieg),
Rückzug / Abseilen,
Abschlußtour (Petersenspitze NW),
hielt man sich nicht lange auf mit Körperhygiene, Lagerpräparierung und Brotzeit,
sondern brach sofort auf zum nahe gelegenden Fels - Übungsgelände für die ersten
"Trockenübungen". So wurden insbesondere die Spaltenbergung mittels loser Rolle und
der Standplatzbau thematisiert sowie Geräte wie Micro Traxion und Tibloc
besprochen. Die ersten Regentropfen am Abend waren das Signal zum Rückzug in die
Hütte, um sich nun doch noch Nebensächlichkeiten wie dem Bezug des uns zugeteilten
Winterraums - temporär exklusiv für die Sektion FDS - und der Einleitung ausführlicher
Maßnahmen gegen die Dehydrierung mittels geeigneter, partiell malzhaltiger
Flüssigkeiten zu widmen.
Das Abendmenu a la (Hüttenwirte) "Christoph und Barbara" wurde herbeigesehnt und -
endlich - ab 18:30 Uhr serviert. Die Schlacht am Salatbuffet machte ihrem Namen alle
Ehre - bei Vollbelegung einer Hütte mit nahezu 160 Schlafplätzen konnte man sich hier in
Geduld trainieren! Nach einem langen Tag, welcher für die meisten bereits vor fünf Uhr
am Morgen begonnen hatte, und einem Verdauungsschnaps zogen wir uns ins Lager
zurück und durften eine nahezu schnarchfreie Nacht geniesen.
Der nächste Tag begann, wie der vergangene geendet hatte - mit einem Buffet: es fehlte
an nichts; so wurden Brot, Müsli, Säfte, Käse, Wurst, Quark, Obst; Honig,
Marmelade und natürlich Kaffe und Tee gereicht. Vorsorglich deckten wir uns noch mit
einer Jause sowie einem Marschtee ein und stiegen, wie generalstabsmäßig von unserem
Tourenleiter geplant, um 8:00 Uhr zum Gletscher auf. Dort suchten wir einige Zeit nach
einer geeigneten Spalte, da sich das Gelände gegenüber dem Vorjahr bereits wieder
deutlich verändert hatte.
An einer ca. 1,5 Meter breiten und recht tiefen, sich nach unten verjüngenden Spalte platzierten wir
unsere Habseligkeiten und begannen unser Programm mit der Spaltenbergung mittels loser Rolle.
Jeder durfte in die Spalte springen, jeder musste subjektiv viel zu schwere Opfer aus der Spalte ziehen – keiner
musste trotz der eher ungemütlichen Witterung frieren! Die Selbstrettung mittels
Rücklaufsperre (Garda, Micro Traxion etc.) / Münchhausentechnik bereitete hinsichtlich der körperlichen
Belastung deutlich mehr Freude; allerdings stellte man
mittels entsprechender empirischer Ermittlungen fest, dass nicht alle Rücklaufsperren
geeignet erschienen - so wollte mit der Petzl - Steigklemme keine wirkliche Freude
aufkommen... Es wurden Eisschrauben gesetzt, Abalakovs konstruiert und komplette
Standplätze gebaut - diese Programmteile nahmen ca. vier Stunden und damit die Hälfte
des geplanten Achtstundentags in Anspruch. Die gefühlt zweite Hälfte des Tages
verbrachten wir mit Olis besonderem Schmankerl - dem "modifizierten Flaschenzug". Das
ausgewählte Bergungsopfer hieß Ellena und durfte lange, sehr lange, sehr sehr lange die
Spalte von innen inspizieren und wollte nicht glauben, wie lange sich vier ausgewachsene
Männer, darunter mehrere Ingenieure ihres Zeichens, mit einer an sich simplen
Konstruktion auseinandersetzen mussten. Allein, das Opfer durfte ja nicht aufbegehren,
da per definitione zur Ohnmacht bzw. passiven Hilflosigkeit verdammt. Immerhin, nach
einiger Tüftelei mit viel zu vielen Seilsträngen, der Verwendung diverser Rücklaufsperren
und letztlich dem Einsatz zu hoch dosierter Muskelkraft konnten wir das zwischenzeitlich
unterkühlte Opfer aus der misslichen Lage befreien. Natürlich musste zum Abschluss die
Konstruktion mittels diverser Trockenübungen perfektioniert werden, um mit gutem
Gewissen den Rückzug zur Hütte antreten zu können.
Am Abend stellten wir fest, dass die Teilnehmer der "Alpine Welten" in unserem
Gastraum wohl bereits - chemisch - aufgetaut waren, so dass die entsprechende
Geräuschkulisse der umliegenden Tische unsere deutlich dominierte. Dies sollte unsere
gute Laune jedoch in keiner Weise beeinflussen - wir übten uns im Gegenzug im
"Bergführerraten" und tauten uns - anatomisch - mittels diverser, gebrannter
Flüssigkeiten auf.
Der dritte Tag war geprägt vom "Eisklettern" - immerhin erwartete uns am Abschlusstag
unsere "erste Nordwand"! So errichteten wir im nahegelegenden Gelände an einer ca. 30
m hohen und maximal 55 ° geneigten Wand - und somit den Verhältnissen der
angepeilten Petersenspitze vergleichbar - ein Fixseil und übten den "Degengriff".
Anschließend bildeten wir zwei Seilschaften und trainierten das Klettern am gleitenden
Seil, wobei wir ein besonderes Augenmerk darauf legten, stets mindestens zwei
Zwischensicherungen zu behalten. Wir bauten diese teils mit Tibloc auf und lernten den
Vorteil dieser Technik gegenüber der einfachen Expressschlinge an der Eisschraube.
Nachdem wir nun alle heiß waren auf das "richtige" Klettern, baute uns Oli zwei Toprope
- Linien in bis zu max. ca. 70° geneigtem Gelände ein. Wie zu erwarten, dauerte es nicht
lange, und die ersten sehnsüchtigen Dackelblicke ließen den Tourenleiter erweichen: es
durfte vorgestiegen werden. Nachdem unser erfahrener Oli hier ein auch dafür
geeignetes Gelände eruiert hatte, war dies absolut vertretbar und kristallisierte sich als
das Highlight des Tages heraus.
Mit simuliertem Rückzug mittels - in Anbetracht der Erfahrungen des Vortags
erstaunlicherweise gut funktionierender - "selbstausdrehender Eisschraube" und der
alternativen "Eisbirne" wurde der Tag beschlossen, so dass wir uns, dank Olis klar
strukturierter Lehrstunden bestens gewappnet, mächtig auf unsere Abschlusstour freuen
konnten.
Am Abend schlemmten wir wieder wie die KaiserInnen und durften uns dank diverser
Primieren einzelner Teilnehmer in puncto Eisklettervorstieg den einen oder anderen
Verdauungsobstler mehr als an den Vorabenden genehmigen.
Trotz diverser Versuche des Gegensteuerns wollte sich unsere einzige weibliche
Adjutantin den Höhepunkt zugunster einer wohlgeordneten Übernahme des Nachwuchses
am Heimatort entgehen lassen und verabschiedete sich bereits an diesem Abend von
"ihren" vier Männern, nicht ohne den beiden Seilschaften Oli - Markus und Lars - Lando,
mit ein wenig Wehmut in den Augen, viel Glück für deren zum Teil erste Nordwand zu
wünschen.
Ellena war es dann auch, welche am Folgetag mit scharfem Auge die einzigen beiden
Seilschaften interessiert, teils sorgenvoll beim Gipfelanstieg in der Wand beobachtete.
Nun aber der Reihe nach:
die Nacht zum Sonntag war dank dem Wecker eines ziemlich erkälteten Niederländers,
welcher mit zwei Kameraden die Wildspitze machen wollte und in unserem Lager
genächtigt hatte, um 3:30 Uhr zu Ende. Nach einem kurzen Thermofrühstück im Raum
unter der Schlafkammer des Hüttenwirts in Tigerpyjama starteten wir um kurz vor fünf
Uhr unseren Zustieg zum Taschachferner. Nachdem uns das Geröll am Ferner etwas zu
"geröllig" erschien, wählten wir den Aufstieg über eine angenehm mit Firn gefüllte Rinne,
parallel dem Einstieg zum Rimmelsteig, bis zum Gletscherbeginn unterhalb des Gamsköpferl.
Hier wechstelten wir in den Modus der Gletscherseilschaft und seilten uns zu viert an. Nun
visierten wir auf direktem Wege den Bergschrund der Petersenspitze an, wobei wir an einer
ausgeprägten Spalte den Weg über eine Schneebrücke wählen mussten. Der Bergschrund
stellte kein echtes Problem dar, so dass wir nach planmässig drei Stunden den Einstieg
erreicht hatten und zwei Stände bauten. Wir gingen vor wie ursprünglich geplant und
kletterten in zwei Seilschaften, teils überschlagend, stets am gleitenden Seil. Für jede
Eisschraube mussten, insbesondere im unteren Bereich der Wand, ca. 15 cm Firn
freigeschlagen werden - dennoch kamen wir gut voran. Die Eisgeräte setzten wir als
Kopfstützpickel ein; den Schaftzug ließen die Firauflagen, in gewisser Weise aber auch
die überschaubare Neigung der Wand von ca. 50 bis 55° nicht zu. Entgegen der Prognose
waren wir problemlos bereits nach ca. einer Stunde am Gipfel (3.484 m) und hatten in
den insgesamt vier Stunden immerhin ca. 1.200 Höhenmeter absolviert; die Wand selbst
bemisst sich mit nur ca. 250 hm.
Am Gipfel erwartete uns ein beeindruckendes Panorama mit der Wildspitze, dem hinteren
Brochkogel und dem beeindruckenden Gletschersee in direkter Nähe sowie unzähligen
Gipfeln in der Entfernung, u.a. auch der Ortler.
Unser Abstieg führte zunächst den Firngrat entlang. Der felsige Übergang am Taschachjoch im
Westen stellte sich als wenig vertrauanserweckender Bruchhaufen heraus, so dass wir hier einen
kurzen Rückzug antraten und einen Umweg über ein Firnfeld im Süden wählten. Jenseits des Jochs
marschierten wir Richtung Pitztaler Urkundsattel, umrundeten den Pitztaler Urkund
und erreichten nach einem gut dreistündigen Abstieg einigermaßen erschöpft das
Taschachhaus.
Nachdem Ellena unser "Basislager" bereits aufgelöst und für einen Rücktransport unserer
Habseligkeiten mittels Materialseilbahn Sorge getragen hatte, konnten wir nach einer
Erfrischungsrunde nebst Materialsortierung den Abstieg ins Tal anpeilen; dieser wollte
einfach nicht enden... nach insgesamt zehn Stunden "Hatscherei und Kletterei" erreichten
wir das Ziel unserer Sehnsüchte: die Taschachalm auf ca. 1.800 m; hier wurden die
Kohlenhydrat- und Mineraliendepots nochmals aufgefüllt und die letzten Kraftreserven für
den immerhin gut fünfminütigen Abstieg zum Parkplatz mobilisiert.
Auf der Heimfahrt kamen wir übereinstimmend zu der Ansicht, dass du mit einer Buchung bei
DAV - FDS - Dorka - Reisen stets richtig liegst,
unser Oli seinen Lehrplan umfassend und strukturiert durchgezogen hatte,
du dadurch einen Kompetenz- und Erfahrungsmehrwert in eine Abschlusstour und
nach Hause bringen kannst und
wir alle wieder miteinander richtig viel Spass und Freude in den Bergen hatten!
Lando Huber-Denzel